Montag, 18. August 2014

Die vergessenen Inseln: Monemvasia.


Manchmal, da scheint es, als hätte höheres Wissen beschlossen, dass man einen bestimmten Ort aufsuchen muss. Der Wind dreht plötzlich auf besten Halbwind, er gewinnt an Kraft, wird stärker und stärker und treibt Schiff und Besatzung förmlich einem Ort zu.
Der Ort, um den es hier geht, heißt Monemvasia. Er liegt im Südosten des Peloponnes, und im Video oben sieht man ihn ganz rechts, sich schmiegend in den Fels vor der Küste Lakoniens wie ein schutzloses Wesen in eine hohle Hand. Von Kap Maleas an kam der Wind aus Ost-Südost, vollkommen ungewohnt nach wochenlangem Segeln im Nordwest. Am Horizont ballten sich die Regenwolken, aber der Wind schob Levje in die Bucht, genau bis vor die Hafeneinfahrt, und erst dort fielen die Segel.


Ungelogen ist Monemvasia einer der schönsten Orte auf meiner Reise. Und berühmt ist die Stadt auch: Im Mittelalter hieß sie Malvasi, und der vielgetrunkene Rotwein trägt seinen Namen nach dieser Stadt, weil dies der Ort war, von dem aus der Wein verschifft wurde.

Die Byzantiner haben den Ort gegründet, im Zuge des großen Plans im 6. Jahrhundert, das in den Stürmen der Völkerwanderungszeit verlorene Westreich wieder zurück zu erobern. Rom, Italien, der Balkan, Griechenland, die Adria, Frankreich, Spanien, Nordafrika: Verloren an Vandalen, Alanen, Ostgoten, Slawen, Germanen. Das Byzanz des sechsten Jahrhunderts gab seine Ansprüche, Nachfolgerin Roms und rechtmässige Herrin dieser Gebiete zu sein, nie auf. Und Monemvasia war der Dreh- und Angelpunkt des großen Plans. Der Peloponnes konnte zurückerobert werden, Teile Süditaliens auch, das sich auf Sandbänken in den Lagunen gründende Venedig und Ravenna blieben byzantinisches Gebiet. Nominell jedenfalls. Der lange Arm von Byzanz war einfach im siebten Jahrhundert nicht kraftvoll genug. Und er wurde schwächer, und schwächer. Bis Byzanz 1453 von dem Osmanen erobert wurde. Da war Monemvasia immer noch byzantinisch, das letzte Territorium von Byzanz.


Monemvasia wurde eigentlich als zwei Städte gegründet: Die untere, die eigentliche Stadt. Und die Zitadelle oben auf dem Felsplateau, bis heute nur durch den steilen Pfad hinter der Kirchenkuppel zu erreichen. Es heißt, die Festung sei uneinnehmbar gewesen, auch deshalb, weil in der Zitadelle auf dem Felsplateau sogar Getreide angebaut wurde. 


Trotzdem wechselte die Stadt oftmals den Besitzer, und damit auch die Bewohner: Nach den Byzantinern die Venzianer, dann die Türken, dann wieder die Venezianer, dann wieder die Türken. Das Hin- und Her endete erst, als die Stadt 1821 griechisch wurde. Und was für Deutschland die Versammlung der Frankfurter Paulskirche ist, das ist für Griechen Monemvasia: der Ort ihrer ersten Nationalversammlung 1822. Doch dann versank die Insel in Vergessenheit: 1971 lebten gerade mal 31 Bewohner in Monemvasia, und in der Zitadelle lebt seit den Zwanziger Jahren niemand mehr. Verlassen. Für immer.


Heute ist Monemvasia größtenteils renoviert. Es heißt, wohlhabende Athener haben hier ihren Sommerwohnsitz. Kleine Hotels. Aber auch darin erinnert Monemvasia an manchen Ort an der Cote D'Azur oder in der Provence, etwa an Ramatuelle mit seinen weinbewachsenen Cafes, seinen stillen Plätzen über dem Meer und den Touristen, die sich jetzt im Hochsommer dort bewegen.


Nur eines ist anders: Als die Venezianer den Ort zum letzten Mal übernahmen im Zuge ihrer Rückeroberung von Morea, das italienische Wort für den Peloponnes (Herr Tolkien hat sich hier bedient), da schufen sie an vielen Orten in Monemvasia Kirchen. So, als wollten sie den Geist der Osmanen buchstäblich ausräuchern. Eine der schönsten Kirchen ist natürlich die Hauptkirche, Hagia Sofia, die große Weisheit. Und ich, der ich immer auf der Suche bin nach stillen Räumen, werde hier fündig, in besonderer Weise: Denn in dem Kirchenraum summt die alte Küsterin, die zu jeder griechischen Kirche gehört wie das Omega zum Alpha, leise einen gregorianischen Choral. Und wer im folgenden Video ganz, ganz genau hinhört: Der kann den Choral hören:



1 Kommentar:

  1. Ein wunderschöner und mystischer Ort, den wir letztes Jahr im September ohne große Touristenströme auch genießen durften.

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